Sarah-Mai Dang

Schlagwort: Digital Humanities

Gründung der AG Open Media Studies

Interesse an Open Science, Open Access oder Open Educational Resources in der Medienwissenschaft? Kommt zum Gründungstreffen der AG Open Media Studies [Verlinkung wurde aufgrund einer veränderten URL von der Red. entfernt]!

Das Treffen findet statt am 28.09., 14-15.30 Uhr, auf der GfM-Jahrestagung in Siegen.

Bei Interesse an einer Mitarbeit oder an einer Aufnahme in den eMail-Verteiler bitte eine kurze Nachricht schreiben.

 


AG Open Media Studies

Open Science zielt darauf ab, möglichst Viele an der Produktion und Distribution von Wissen teilhaben zu lassen. Forschung, Lehre und Publikationen sollen möglichst transparent und offen durchgeführt werden, um Wissenschaft nachhaltig und inklusiv zu gestalten. Rechercheergebnisse müssen nachvollziehbar und nachprüfbar sein, damit sie anschlussfähig und nachnutzbar sind. Dafür gilt es, auch die Arbeitsprozesse selbst zugänglich zu machen. Open Science legt den Fokus auf kollaborative und kooperative Arbeitsformen. Je nach Disziplin und Forschungsprojekt kann dies sehr unterschiedliche Formen annehmen.

Ziel der 2018 gegründeten AG Open Media Studies ist es, die Medienwissenschaft für Open Science zu sensibilisieren und Arbeitsprozesse transparenter zu machen. Dafür gilt es, sich mit wissenschaftlichen Praktiken, Methoden und Ansätzen in der eigenen Disziplin kritisch auseinanderzusetzen und Best-Practice-Beispiele zu erarbeiten. Openness soll dabei sowohl als Chance als auch Herausforderung diskutiert werden. Im Kern medienwissenschaftlich ausgerichtet schließt die AG an transdisziplinäre theoretische wie wissenschaftspolitische Debatten um Offenheit und Zugang in der Wissenschaft an. Durch öffentliche Beiträge in Medien und auf Konferenzen sowie das Ausrichten von Fachtagungen und Workshops soll eine sichtbare Positionierung der deutschsprachigen Medienwissenschaft in diesem Feld erfolgen.

Zu den Schwerpunktthemen zählen (s. auch Open-Media-Studies-Blog)
Open Access
Peer Review
Wissenschaftskommunikation
Citizen Science
Forschungsdatenmanagement
Open Educational Resources
Gender und Technologie
Urheberrecht
Chancen und Herausforderungen durch Digitalität und Datafizierung
(z.B. digitale Methoden)

Gründungsmitglieder
Dr. Sarah-Mai Dang, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Medienwissenschaft, Philipps-Universität Marburg
Dr. Adelheid Heftberger, Referatsleiterin Filmbenutzung, Das Bundesarchiv
Simon David Hirsbrunner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DFG GRK Locating Media, Universität Siegen
Dr. Alena Strohmaier, Wissenschaftliche Koordinatorin, Zentrum für Nah- und Mitteloststudien, Philipps-Universität Marburg
Dr. Thomas Waitz, Senior Scientist und Studienprogrammleiter, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Universität Wien

 

Open-Media-Studies-Blog / Call for Postings

In Kürze startet der Open-Media-Studies-Blog auf der Seite der Zeitschrift für Medienwissenschaft (ZfM) (Call for Postings)[Verlinkung wurde aufgrund einer veränderten URL von der Red. entfernt].

Der Blog bietet ein öffentliches Forum für aktuelle Debatten rund um den Themenkomplex Transparenz, Offenheit und Zugang in der Wissenschaft. Theoretische und wissenschaftspolitische Beiträge zu Forschungs-, Lehr- und Publikationspraktiken sind jederzeit willkommen. Kuratiert wird er von meiner Kollegin Alena Strohmaier und mir.

Wir freuen uns über Themenvorschläge an: openmediastudies@zfmedienwissenschaft.de.

Call for Postings

Open Media Studies-Blog

Open Science und Open Access sind seit geraumer Zeit viel diskutierte Themen und zunehmend realisierte Forschungs-, Lehr- und Publikationspraktiken, die auch die Medienwissenschaft betreffen. Obgleich die medienspezifische Konstitution von Wissen zu den Kernfragen der Disziplin gehört, wird die Zugänglichmachung zu und die Vermittlung von Forschungsergebnissen – und vor allem Forschungsprozessen – bislang eher am Rande reflektiert.

Der Open Media Studies-Blog möchte eine Diskussionsplattform bieten, um die Vielzahl der diversen Positionen zum Thema Open Science und Open Access in der Medienwissenschaft zu präsentieren und miteinander ins Gespräch zu bringen. Er soll die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Praktiken, Methoden und Gegenständen in der eigenen Disziplin ermöglichen und verstärken. Ziel ist es, die Medienwissenschaft für offenere Arbeitspraktiken zu sensibilisieren und Forschungsprozesse transparenter zu machen. Der Blog soll die Positionierung der deutschsprachigen Medienwissenschaft in den aktuellen theoretischen und wissenschaftspolitischen Debatten stärken und das Fach über die Community hinaus sichtbarer in den Geisteswissenschaften und der Öffentlichkeit machen.

Im Kern medienwissenschaftlich ausgerichtet sucht der Open Media Studies-Blog die interdisziplinäre Auseinandersetzung. Der offenen Wissenschaft verpflichtet ist er zugänglich für alle Interessierten und sucht die direkte und kontinuierliche Diskussion mit einem möglichst großen Publikum. Die Form des Blogs erlaubt schnelle Beiträge zu aktuellen Themen, die Reflexionen von Alltagspraktiken und die Kommentierung anderer Positionen.

Der Blog ist offen für unterschiedliche Publikationsformate, für zentrale Fragen ebenso wie für Randständiges. Denkbar sind: theoretische Reflexionen, empirische Befunde, Forschungsnotizen, Gedankenspiele, Interviews, persönliche Kommentare, Erfahrungsberichte und praktische Beispiele aus Forschung und Lehre, Reviews, Bildstrecken oder Videoessays. Insbesondere gilt es, unabgeschlossene Prozesse zu reflektieren und vorherrschende Paradigmen und Konzepte zu hinterfragen. So kann etwa der Begriff der „Offenheit“ etwas je Unterschiedliches bedeuten und Zugänglichmachung auch eine Form der Schließung implizieren.

Willkommen sind deutsch- und englischsprachige Beiträge von allen Personen, die sich Open Science und Open Access oder verwandten Problemfeldern in theoretischer, methodologischer, empirischer und/oder wissenschaftspolitischer Weise nähern.

Mögliche Themenfelder der Beiträge
digitale Methoden und Technologien, digitale Forschungsobjekte, Publikationspraktiken, (Open) Peer Review, Open Monographs, Open Journals, Urheberrecht, Lizenzierungen, Forschungsdatenmanagement, Forschungstagebücher, Nachnutzungsmöglichkeiten, Langzeitarchivierung, OER (Open Educational Resources), Recherchepraktiken, Shadow Libraries, Best Practice-Beispiele, institutionelle Strukturen und Rahmenbedingungen, Wissenschaftskommunikation, Citizen Science, Openness, Open by default, Marginalisierungsprozesse, Datenschutz, Impact

Der Open Media Studies-Blog erscheint ab Mai 2018 auf der Website der Zeitschrift für Medienwissenschaft (ZfM). Überdies wird er auf dem sozial- und geisteswissenschaftlichen Metablog http://hypotheses.org/ gespiegelt. Monatlich wird ein Blogpost erscheinen (1000-2000 Wörter; CC-BY-4.0.-Lizenz).

Abstract-Einreichungen
Bei Interesse an einem der ersten Beiträge bitten wir um einen Themenvorschlag (200-300 Wörter) inkl. Kurzbiographie (150 Wörter) bis zum 15.05.2018 mit Angabe eines möglichen Einreichtermins an: openmediastudies@zfmedienwissenschaft.de.

Da es sich um ein langfristiges Projekt handelt, können gerne auch verschiedene Themenvorschläge für mehrere Posts und selbstverständlich später noch, im Laufe der Debatten, eingereicht werden.

Kuratorinnen
Dr. Sarah-Mai Dang (Philipps-Universität Marburg)
Dr. Alena Strohmaier (Philipps-Universität Marburg)

Rückfragen und Kommentare bitte an: openmediastudies@zfmedienwissenschaft.de.
Stylesheet und weitere Hinweise unter: www.zfmedienwissenschaft.de/service/submission-guidelines

Zenodo, SocArXiv oder GitHub? Preprints in den Geisteswissenschaften

In der Regel dauert es in der Wissenschaft Monate, wenn nicht Jahre, bis dass ein Artikel oder Bucheintrag veröffentlicht wird – selbst wenn der Text längst verfasst ist und den Herausgeber:innen vorliegt. Um eine zügige Veröffentlichung und Diskussion dennoch zu ermöglichen, gibt es Preprint-Server, über die Wissenschaftler:innen Manuskripte bereits vor der offiziellen Veröffentlichung zugänglich machen können (s. mein Post zu Peer Review).

In den Natur- und mittlerweile auch in den Sozialwissenschaften gibt es von der Community anerkannte Preprint-Server. In den Geisteswissenschaften steht immer noch keine dezidierte Möglichkeit zur ‚Vorveröffentlichung‘ zur Verfügung. So habe ich als Film- und Medienwissenschaftlerin erst einmal recherchieren müssen, welche adäquate Form es gibt, um nun selbst zum ersten Mal einen Artikel frühestmöglich zur Diskussion zu stellen.

Früher Zugang durch Preprint
Es handelt sich um einen Beitrag zu digitalen Werkzeugen und Methoden in der Filmgeschichtsschreibung, deren Potentiale und Herausforderungen für die Film- und Medienwissenschaft ich am Beispiel der feministischen Filmgeschichte erläutere. Da Projekte und Ansätze in den Digital Humanities derzeit stark diskutiert werden, ist es mir in diesem Fall ein besonders dringendes Anliegen, frühzeitiges und vielseitiges Feedback zu meinem Beitrag zu bekommen.

Der Artikel ist bereits eingereicht und soll am 1. Juni 2018, also in acht(!) Monaten bei MEDIENwissenschaft Rezensionen | Reviews  erscheinen. In Absprache mit der Redaktion (Danke!) habe ich mich entschieden, den ersten Entwurf vorab zu veröffentlichen. Was in den Naturwissenschaften gang und gäbe ist, stellt in den Geisteswissenschaften nach wie vor eine Besonderheit dar. Kommerzielle Plattformen wie ResearchGate oder Academia.edu werden zwar genutzt, doch in der Regel um im Nachhinein Artikel verfügbar zu machen. Leser:innen müssen sich registrieren, um die Texte herunterzuladen. Zudem sind die AGB undurchsichtig und die rechtliche Lage ist oftmals ungeklärt. Nicht zuletzt bleibt die Veröffentlichung an die Produktionsabläufe der Verlage gebunden. Außerdem können Dokumente oder ganze Accounts beliebig gelöscht oder erstellt werden. Eine nachhaltige Nutzung kann somit nicht gewährleistet werden. Die Prozesshaftigkeit von Wissenschaft spiegeln Preprint-Server weitaus besser wider. Gilt es, sich für eine offenere Wissenschaft einzusetzen und seine Publikationen sowohl zugänglicher als auch nachnutzbarer zu machen, ist dies meines Erachtens die bessere Wahl.

Relevante Kriterien für Preprints
Doch wo sollen Geisteswissenschaftler:innen ihre Preprints veröffentlichen? Und was sollen Preprint-Server eigentlich leisten?

Meiner Meinung nach sind folgende Kriterien relevant:
Sichtbarkeit durch Auffindbarkeit: durch passende Verschlagwortung, SEO, DOI (Digital Object Identifier), permanente URL
Zugänglichkeit: durch nutzer:innenfreundliches Interface, Download-Option ohne Registrierung
Nachnutzbarkeit: durch variable Lizenzierung und Zitiermöglichkeit (über DOI, permanente URL)
Nachhaltigkeit: durch permanente URL, standardisierte Metadaten, Langzeitarchivierung über Speicherverfahren wie LOCKSS  oder CLOCKSS sowie nicht beliebig löschbare Dokumente
Anerkennung in der Community: durch verbreitete Nutzung, transparente Verfahren, produktive Beiträge
Transparenz: durch Offenlegung des Source Codes, der AGB, der Finanzierung bzw. des Geschäftsmodells

Nach Gesprächen mit Kolleg:innen aus der Open Science-Community (Danke, Fellows und Aktivist:innen von „Freies Wissen“!) habe ich mir die Plattformen SocArXiv, Zenodo und GitHub näher angesehen. Schlussendlich habe ich mich entschieden, meinen Artikel als Preprint bei Zenodo hochzuladen („Digital Tools & Big Data: Zu gegenwärtigen Herausforderungen für die Film- und Medienwissenschaft am Beispiel der feministischen Filmgeschichtsschreibung“). Ausschlaggebend war die größere, wenn auch vergleichsweise geringe, Bekanntheit unter Wissenschaftler:innen in der Medienwissenschaft in Deutschland.

Mögliche Preprint-Server
1) Zenodo, https://zenodo.org/
Zenodo ist eine vom CERN 2013 ins Leben gerufene Plattform, die jedoch ausdrücklich sowohl Natur- als auch Humanwissenschaften willkommen heißt. Die Nutzung ist für Autor:innen sowie für Leser:innen kostenlos. Finanziert wird die Plattform u.a. durch die Initiative der europäische Kommission OpenAIRE.

Zenodo bietet
◦ Verschlagwortung
◦ automatische DOI
◦ variable Lizenzierung, auch ohne Creative Commons
◦ eine Community-Umgebung für Kollaborationen und Austausch
◦ verschiedene Dateiformate
◦ verschiedene Genres (z.B. Textpublikationen, Präsentationen, Videos, Poster, Bilder)
◦ ein eigenes Repositorium bzw. Gruppe
◦ Verknüpfung mit ORCID
◦ Verknüpfung mit GitHub
◦ schnellen Import von Artikeln in Literaturdatenbanken

Die Plattform ist open source basiert (GitHub). Die Nutzungsrechte bleiben bei den Urherber:innen. Auch deutschsprachige Artikel sind auf Zenodo zu finden. Unter „Medien“ sind 70 Einträge gelistet. „Medienwissenschaft“ bringt allerdings keine Suchergebnisse hervor. Dafür gibt es Beiträge zur Geisteswissenschaft, z.B. zur Bedeutung von Open Access, https://zenodo.org/record/50598). Zenodo ist einfach zu bedienen. Zudem sind die einmal hochgeladenen Dokumente oder Dateien nicht beliebig löschbar, sodass eine nachhaltige Archivierung und Nutzung gewährleistet wird.

2) SocArXivhttps://osf.io/preprints/socarxiv
In die engere Auswahl ist auch SocArXiv gekommen. SocArXiv ist mit dem Gründungsjahr 2011 ebenfalls ein relativ junger PrePrint-Server. Verstärkte Aufmerksamkeit hat er in der Diskussion um die Plattform SSRN (Social Science Research Network) bekomment, als diese 2016 von Elsevier (s. mein Blog-Post) aufgekauft wurde. Angesiedelt ist die Plattform an der University of Maryland (UMD).

SocArXiv bietet
◦ Suche nach Schlagworten und Disziplinen
◦ permanente URL
◦ automatische DOI (Digital Object Identifier) ist in Planung
◦ variable Lizenzierung (CC-O oder CC-BY)
◦ Indexierung über Google Scholar
◦ Teilen über Twitter, fb, LinkedIn und eMail
◦ Download-Statistiken
◦ Verknüpfung mit ORCID

Auch bei SocArXiv bleiben die Nutzungsrechte bei den Urherber:innen. Während bei Zenodo Daten über GitHub archiviert und verknüpft werden können, kooperiert SocArXiv mit OSF (Open Science Framework), über das man über Hintergrund und Kontext des Artikels mittels zusätzlichem Material und weiteren Daten informieren kann. SocArXiv verpricht, dass sie sich anders als SSRN nicht an Elsevier verkaufen würden. Reichweite und Netzwerk scheinen mir auch bei SocArXiv inzwischen recht groß, auch in den Humanwissenschaften. Doch da kaum deutsche Text auf der Plattform zu finden sind, habe ich Zenodo den Vorrang gegeben.

3) GitHub, https://github.com/
GitHub war mir bisher nur als Hosting-Plattform für Software, insbesondere im open source-Bereich, bekannt. Doch es ist ebenso möglich, Textdateien über GitHub verfügbar machen, nicht nur Codes. Dennoch scheinen mir SocArXiv und Zenodo für Preprint-Zwecke eindeutig geeigneter, zumal es über Zenodo möglich ist, seine Daten auf GitHub-Account zu verlinken.

4) eigene Website
Den Preprint-Artikel über die persönliche Website oder die Institutsseite zugänglich zu machen, erlaubt zwar eine unmittelbare Verknüpfung mit dem eigenen Profil, doch Auffindbarkeit und Nachhaltigkeit sind nicht gewährleistet.

Feedback willkommen!
Es stellt natürlich ein Risiko dar, ‚unfertige‘ Produkte für die Community oder gar die Öffentlichkeit freizugeben. Man stellt sich einer unbekannten Leser:innenschaft und macht sich leichter angreifbar. Dennoch freue ich mich auch über kritisches Feedback zum Text sowie über allgemeine Kommentare, Vorschläge oder eigene Erfahrungsberichte zu Preprint-Servern – nicht nur in der Film- und Medienwissenschaft.

 

Update (22. August 2019)
Seit diesem Jahr gibt es MediArXiv, ein offenes, internationales, mehrsprachiges, crowd-sourced Repositorium für die Medien-, Film- und Kommunikationswissenschaft (und angrenzende Disziplinen), dem ich als Mitglied des Steering Committee angehöre. MediArXiv fokussiert derzeit vor allem Publikationen, also Artikel, Buchkapitel und ganze Bücher, sowohl als Preprint als auch als Postprint.

Geht es um das Zugänglichmachen von Texten, ist MediArXiv zu empfehlen. Geht es jedoch um heterogeneres Material, z.B. um Präsentationen, oder um die Organisation einer themenspezifischen Community, ist Zenodo die geeignetere Anlaufstelle.

Des Weiteren gibt es für die deutschsprachige Medienwissenschaft das Repositorium media/rep, das in Kooperation mit Verlagen Publikationen sammelt und open access stellt.

Transparenz statt Ruhm und Ehre? Nachwuchswissenschaftler:innen zu Risiken und Chancen von Open Science

Open Science – von Open Access über Open Educational Resources, Open Data und Open Peer Review bis hin zu Citizen Science – soll die Verbreitung und Nachnutzung von sowie den Zugang zu Wissen erleichtern. Ziel von Open Science ist es, Forschung transparenter und nachhaltiger zu machen und somit die Qualität von wissenschaftlicher Arbeit zu verbessern. Wie Open Science im akademischen Alltag aussehen kann, haben Stipendiat:innen des von Wikimedia Deutschland in Kooperation mit dem Stifterverband 2016 gegründeten Fellow-Programms Freies Wissen [Verlinkung wurde aufgrund einer veränderten URL von der Red. entfernt] am 10. März auf der Abschlussveranstaltung „Wissen offen gestalten – Open Science in der Praxis“ in Berlin diskutiert.

Open Science ist vielfältig
Open Science wird von Fach zu Fach unterschiedlich praktiziert, die Ansätze sind vielfältig. Dies verdeutlichte der einleitende Film, in dem alle zehn Stipendiat:innen ihre Forschungsprojekte in 90-Sekündern präsentierten. So geht es dem Neurobiologen Benjamin Paffhausen etwa um das Teilen von Wissen zwecks Herstellung wissenschaftlicher Geräte zur Beobachtung von Honigbienen. Der Rechtswissenschaftler Hanjo Hamann wiederum veröffentlicht im Dienste der deutschen Justizgeschichte Dokumente, aus denen hervorgeht, welche Richter:innen welche Fälle bearbeitet haben. Die Wissenschaftssoziologin Klara-Aylin Wenten befasst sich mit MakerSpaces, partizipativen Werkstätten. Und die Filmhistorikerin Adelheid Heftberger, Mitgründerin des Open Access-Journals Apparatus, versucht beispielsweise ihre Kolleg:innen von alternativen, offenen Publikationsformaten zu überzeugen.

Die „Botschafter:innen des Freien Wissens“ setzen sich sowohl theoretisch als auch praktisch mit Open Science auseinander. Mit welchen fachspezifischen Problemen die Nachwuchswissenschaftler:innen dabei konfrontiert werden, zeigte die anschließende Podiumsdiskussion. Moderiert von Christina Riesenweber, Open Access-Beauftragte der Freien Universität Berlin, erörterten die Fellows Marion Goller, Juristin, Ruben C. Arslan, Psychologe, und Mirjam Braßler, Erziehungswissenschaftlerin, die Chancen und Schwierigkeiten von Open Science.

Das Recht erschwert freies Wissen
Jurist:innen seien Teil des Problems, konstatierte Goller. Das Bewusstsein für Open Science sei unter ihren Kolleg:innen noch nicht weit verbreitet, da die Quellen, die Gesetzestexte, ohnehin zur freien Verfügung stünden. Außerdem arbeiteten nur wenige Jurist:innen als Wissenschaftler:innen. Darüber hinaus profitierten sie von „closed access“, wenn ihre Lehrbücher in Veranstaltungen vorausgesetzt würden.1

Das derzeitige Recht erschwert nach Goller den Zugriff auf Wissen. Denn Vieles sei verboten. Sie bedauert, dass das US-amerikanische Prinzip des Fair Use in Deutschland nicht gilt und fordert eine harte Wissenschaftsschranke auf europäischer Ebene. Goller forscht zu Urheberrecht und freien Lizenzen und setzt sich für die Abschaffung von Patenten ein.

Wenn es um die Offenlegung von Daten und um die Nachnutzung von urheberrechtlich geschütztem Material geht, herrscht immer noch große Rechtsunsicherheit. Auch aus diesem Grund zögern Wissenschaftler:innen, ihre Forschungsergebnisse im Internet kostenfrei zugänglich zu machen. Zudem bedeutet Open Science einen erheblichen Mehraufwand, der noch nicht honoriert wird. Über diese Punkte waren sich die Podiumsgäste einig. Gar von Zeitverschwendung sei dann die Rede, berichtete Arslan.

Open Science ist riskant, aber effektiv
Open Science stellt nach wie vor nicht nur eine ungewöhnliche Praxis dar, sondern auch ein Risiko für die eigene Karriere. Erstens fehlt Wissenschaftler:innen die Zeit, die sie für die Aufbereitung von Forschungsergebnissen für die Allgemeinheit aufwenden, für weitere Publikationen. Zweitens haben Open Access-Veröffentlichungen noch nicht denselben Stellenwert wie auf herkömmliche Weise verfügbare Artikel in Fachzeitschriften oder Monographien, die gedruckt und bei traditionellen Verlagen erscheinen. Auch wenn es nach Riesenweber keine Korrelation zwischen Open Access und Qualität gibt, leiden frei zugängliche Publikationen unter dem „Impact Factor“, nach dem sich die Reputation einer Zeitschrift bemisst. Dazu kommen die hohen Gebühren, die Verlage von Autor:innen verlangen, um Publikationen open access zu stellen. Drittens machen sich Wissenschaftler:innen durch die Offenlegung von Experimenten und Forschungsprozessen angreifbar. So setze man etwa mit einer Präregistrierung, der öffentlichen Festsetzung von geplanten Studien, Ruhm und Ehre aufs Spiel, erklärte Arslan. Eine für ein stimmiges Erscheinungsbild sorgende Nachjustierung von Methoden, Daten und Forschungsfragen werde dadurch nämlich unmöglich. Obwohl diese Praxis zu einem Mangel an belastbaren Ergebnissen führt, ist sie wohl durchaus üblich. Arslan selbst sucht unter anderem über eine open source Fragebogensoftware der „Replizierbarkeitskrise“ in der Psychologie entgegenzuwirken. Er forscht zu romantischen Präferenzen und Beziehungsdynamiken.

Risiken muss jede Pionier:innengeneration eingehen. Doch letztendlich gilt es, einfach weiterzumachen, um andere von den Vorteilen offener Forschungspraktiken zu überzeugen und Open Science als Standard in der Wissenschaft zu etablieren. Dies war Konsens auf dem Podium. Dabei sei nicht nur an den Idealismus der Community zu appellieren, sondern durchaus auch an eigennützige Motive, findet Arslan. Denn mit Open Science verbänden sich auch viele persönliche Vorteile. So werde man durch transparenteres Arbeiten sowohl sichtbarer als auch glaubhafter. Und von Preprints profitierten alle.

Um einen Austausch auch über die eigene Disziplin hinaus zu ermöglichen, muss man nicht unbedingt den Weg über Publikationen gehen. Auch Plattformen, Blogs und Diskussionsforen fördern das kollaborative Arbeiten. Nicht nur in der Forschung, sondern ebenso in der Lehre. Davon ist auch Braßler überzeugt. Sie untersucht, inwiefern Open Educational Resources die persönliche Entwicklung von Studierenden beeinflussen und erstellt Handlungsempfehlungen, um Lehrmaterial transdisziplinär zugänglich zu machen. Meist lande es nämlich in der Schublade.

Fördermaßnahmen statt Open Burnout
Fazit der Podiumsdiskussion, die sich am Ende für Fragen und Kommentare aus dem Publikum öffnete, war, dass man an mehreren Punkten gleichzeitig ansetzen und einen grundsätzlichen Bewusstseinswandel nicht nur in der Wissenschaftskultur herbeiführen müsse. Dieser beginne bereits damit, sich von der Vorstellung von Wissen als Eigentum zu lösen. Sogenannte „shadow libraries“ wie SciHub könnten das Problem nicht lösen. Neben Verlagskonzernen ziehen profitorientierte Plattformen wie ResearchGate oder Academia.edu ihren Nutzen aus der mangelnden Offenheit. Politiker:innen müssten begreifen, dass Menschen nicht nur aus ökonomischen Gründen handeln und dass ein vereinfachter Wissensaustausch erheblich zur Innovationssteigerung beitrüge. Intransparenz, wie etwa in der Medizin, halte den Fortschritt auf. Deshalb bedürfe es mehr Anreize von politischer Seite für Wissenschaftler:innen, Open Science zu betreiben, zum Beispiel entsprechende Auswahlkriterien in Berufungsverfahren oder Fördermaßnahmen wie Deputatsreduktion. Schließlich wolle man kein Open Burnout.

 


1.
 Als die Universität Konstanz ihre Angehörigen zu Open Access qua Satzung verpflichten wollte, klagten Konstanzer Jurist:innen dagegen mit dem Hinweis auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit.

Digital Humanities – neoliberal oder politisch progressiv?

Die Bedeutung und Konsequenzen der Digital Humanities diskutieren WissenschaftlerInnen in der Los Angeles Review of Books.

Wenn Digital Humanities zum Selbstzweck werden. Ein kritischer Beitrag von Daniel Allington, Sarah Brouillette und David Golumbia.

Daniel Allington, Sarah Brouillette und David Golumbia explain how Digital Humanities plays a lead role in the corporatist restructuring of the humanities.

„What Digital Humanities is not about, despite its explicit claims, is the use of digital or quantitative methodologies to answer research questions in the humanities. It is, instead, about the promotion of project-based learning and lab-based research over reading and writing, the rebranding of insecure campus employment as an empowering ‚alt-ac‘ career choice, and the redefinition of technical expertise as a form (indeed, the superior form) of humanist knowledge.“

Quelle: Neoliberal Tools (and Archives): A Political History of Digital Humanities – Los Angeles Review of Books

Eine lesenswerte Replik haben Juliana Spahr, Richard So, Andrew Piper verfasst. Sie weisen auf das Potenzial der Digital Humanities und auf ihre Vielseitigkeit hin.

„The history the authors provide also risks effacing contributions from individuals in the present – particularly women and persons of color – who work outside of this institutional framework. There is a tremendous amount of new scholarship being produced in DH that seeks to answer significant research questions, and a great deal of this work directly addresses issues related to race, gender, class, and power.“

Quelle: Beyond Resistance: Towards a Future History of Digital Humanities – Los Angeles Review of Books

DH Cinema Projects

„Digital Humanities“ ist ein schillernder Begriff und derzeit in aller Munde. Darunter fallen computergestütze Verfahren zur Aufarbeitung und Archivierung von Datensätzen oder zur Präsentation von Forschungsergebnissen ebenso wie die Analyse von digitalen Vorgängen und Objekten. Digital Humanities steht für neue Methoden und Theorien in den Geisteswissenschaften, wenn nicht gar für ein neues Fach, das sich auf Ansätze aus den Software Studies und den Science and Technology Studies stützt.

Wie Digital Humanities-Projekte in den Medienwissenschaften aussehen, haben Marina Hassapopoulou (NYU) und Anne Amanda Moore (Columbia) einer Liste zusammengetragen.

DH Cinema Projects

Die Liste ist Teil des übergeordneten Projektes Transformations I. Cinema & Media Studies Research Meets Digital Humanitites Tools, das sich mit der Frage auseinandersetzt, inwiefern Film- und Medienwissenschaften, die sich per se für neue Technologien (wie damals zum Beispiel dem Kino) interessieren, bereits vor der Entstehung des Begriffs genau das getan haben, was heute Digital Humanities heißt.

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